Welches Getreide ist am gesündesten?
Ob in Brot, Nudeln oder Kuchen – Weizen hat die Nase vorne, wenn es darum geht, welches Getreide am häufigsten verarbeitet und verzehrt wird. Dinkel und Emmer hingegen gehören zu den „alten“ Getreidesorten und haben geschmackstechnisch Abwechslung zu bieten. Roggen ist im Anbau ähnlich ertragreich wie Weizen. Doch gibt es unter diesen und weiteren Getreidesorten nun gesündere und ungesündere?
Moderne Weizen-Getreidesorten werden seit Langem gezielt gezüchtet. Dies unterscheidet sie von den sogenannten Ur-Getreidesorten. So wurde bisher auch der Dinkel im Vergleich noch weniger weitergezüchtet. Die gezielte Züchtung von Kulturpflanzen steigert ihre Robustheit zum Beispiel in ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten, daher hinken die anderen Getreidesorten in Anbau, Ertrag und ihren lebensmitteltechnologischen Eigenschaften hinterher.
Steckbriefe der "Ur-Getreidesorten"
Dinkel: ist als das bekannteste Urgetreide - sozusagen eine alte, ursprüngliche Weizenart - vielfältig einsetzbar, kann modernen Weizen in nahezu allen Rezepten ersetzen und schmeckt leicht nussig. Bei der Ernte benötigt der Landwirt allerdings einen zusätzlichen Arbeitsschritt – das Entspelzen, was die Weiterverarbeitung aufwändiger macht.
Grünkern: wird noch unreif als Dinkelkorn geerntet und nach dem Dreschen geröstet oder gedarrt und bekommt somit eine würzig-aromatische Note.
Einkorn: verdankt seine goldgelbe Farbe den enthaltenen Carotinoiden (sekundären Pflanzenstoffen, allen voran Lutein) und weist einen leicht nussigen Geschmack auf.
Emmer: die harten dunklen Körner werden meist zu etwas gröberem Mehl mit kräftigem Aroma vermahlen. Er macht sich besonders gut in herzhaften Broten.
(Ur-)Roggen: verleiht Brotteigen eine dunklere Färbung und einen würzigen, leicht süßlichen Geschmack. Dieses spannende Aroma macht Roggen nicht zuletzt zu einer beliebten Lebkuchen-Zutat. Roggen ist widerstandsfähiger gegen Kälte und kann daher auch im alpinen Raum und in kühleren Regionen angebaut werden. Somit hat er auch in Österreich eine lange Tradition.
Kamut (auch Khorasan-Weizen genannt): stammt vom wilden Emmer ab und stellt eine Kulturform des Hartweizens dar. Dieses Getreide weist einen besonders hohen Eiweißgehalt auf, der im Vergleich mit Weizen um 20 bis 30 Prozent höher liegt.
Nährstoffe - Was steckt im Getreide?
Der Nährstoffgehalt von Weizen verglichen mit den anderen Getreidesorten ist annähernd gleich. Auch gemessen am Glutengehalt unterscheiden sich die Getreidearten kaum, Roggen hat etwas weniger als Weizen und eine andere Zusammensetzung der Glutenproteine, weshalb er aber auch nicht so „fluffig“ verbacken werden kann. Dinkel bietet einen besonders hohen Eiweißgehalt sowie höhere Mengen an Kalium, Magnesium, Eisen und Zink. Emmer enthält dafür doppelt so viel Vitamin E wie der Weizen, dafür findet sich im Weizen deutlich mehr Folsäure als in den anderen Getreiden.
Quinoa, Amaranth und Buchweizen gehören botanisch betrachtet übrigens zu den Pseudogetreiden, da sie eigentlich zur Gruppe der Süßgräser gehören. Sie enthalten als solche auch kein Gluten und zudem lassen sie unseren Blutzuckerspiegel weniger schnell ansteigen als Weizen (=> niedrigerer glykämischer Index).
Im Duell - Weizen gegen Dinkel:
Obwohl es sich sowohl beim Dinkel als auch beim Weizen (wir verwenden für Brot und Backwaren überwiegend Weichweizen) um Weizensorten handelt, zeigen sie doch Unterschiede auf. Ist der Ertrag beim Weizen prinzipiell (durch gezielte Züchtung) höher, so macht die zusätzliche Hülle (=Spelze) den Dinkel resistenter gegen Umwelteinflüsse. Im konventionellen Anbau muss der Weizen dadurch auch häufiger chemisch (Pflanzenschutzmittel und Fungizide) behandelt werden. Die bekannte Hildegard von Bingen (1098 – 1179) war zum Beispiel der Überzeugung, dass Dinkel zur Gesunderhaltung des Körpers beiträgt und auch die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) lobt den Dinkel für seine Eigenschaft der Stärkung der Mitte.
Jedenfalls ist es so, dass Dinkel insgesamt mehr Mineralstoffe und Spurenelemente liefert als Weizen und vor allem auch im Mehlkörper wichtige Stoffe enthält. Da beim raffinierten Weißmehl nicht das volle Korn, sondern nur der Mehlkörper vermahlen wird, enthält das „helle“ Dinkelmehl daher einen höheren Anteil wertvoller Stoffe. Im Idealfall wird jedoch jedenfalls das ganze Korn (Vollkorn) verzehrt.
Zudem enthält Dinkel mehr Vitamine und um ein Vielfaches mehr an Eiweiß. Nicht zuletzt, sorgt Dinkel auch für gute Laune, denn dieses Getreide enthält mehr von der Aminosäure Tryptophan, der Baustein für unser Glückshormon – das Serotonin.
Getreide und Vollwertige Ernährung
Fakt ist: Brot liefert nicht nur Energie, sondern auch wertvolle Nährstoffe und vor allem Vollkornbrote enthalten die Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe des ganzen Getreidekorns. Insbesondere von den Ballaststoffen nehmen wir im Durchschnitt noch viel zu wenig auf (die Empfehlung liegt bei 30 Gramm pro Tag), dabei sind sie superwichtig für ein gesundes Darmmikrobiom. Getreide und Brot liefern einen wichtigen Beitrag zu einer vollwertigen Ernährung, die den Körper mit allem versorgt, was er benötigt. Besonders bekömmlich und verdaulich sind Brote, die nach dem Slow-Baking-Prinzip gebacken wurden.
Fazit - Gesündestes Getreide: Eine beste oder schlechteste Art gibt es nicht!
Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe sowie der Eiweißgehalt, wichtige Fettsäuren und komplexe Kohlenhydrate, machen in Summe den gesundheitlichen Wert des Getreides aus. Eine beste oder schlechteste Art gibt es daher nicht!
Den entscheidenden Unterschied – den Gesundheitswert von Brot und anderen Getreideprodukten betreffend – macht die Anbauart (konventionell oder biologisch) und in erster Linie die Verarbeitung des Getreides – ob ausgemahlenes Weißmehl oder Vollkorn. Denn wie Ernährungsexperten nicht müde werden zu wiederholen - ein hoher Verzehr von Weißmehlprodukten ist wenig ratsam.
Übrigens: Da vom Roggen häufiger das ganze Korn vermahlen und verarbeitet wird und beim Weizen eher ein Weißmehl verbacken wird – hinken die meisten Vergleiche zwischen diesen beiden Getreiden. Der Ballaststoffgehalt ist dann nämlich signifikant unterschiedlich und dadurch erscheint der Roggen fälschlicherweise „gesünder“.
Letztlich gilt bei den Getreiden was für unsere Ernährung insgesamt wichtig ist: ein bunter Mix sorgt für die optimale Versorgung mit vielfältigen Nährstoffen und spannenden Geschmacksnuancen.
GASTBEITRAG
Dr. Martina Überall
Doktorat der medizinischen Gesundheitswissenschaften
Dozentin an der Pädagogischen Hochschule Tirol,
Fachbereich Ernährung und Gesundheit.