Warum sollte man
abends kein Brot mehr essen?
AbendBROT - Dickmacher oder Ernährungsmythos?
„Frühstücken wie ein Kaiser, Mittagessen wie ein König und Abendessen wie ein Bettler“ – ein Sprichwort, nach dem auch meine Oma gelebt hat. Was hat es damit auf sich und bedeutet dies nun, dass man abends kein Brot – also keine Kohlenhydrate – mehr zu sich nehmen sollte? Ernährungsmythos, also Fake, oder Fact?
Schlank im Schlaf?
Wäre das nicht wunderbar? Die Theorie abends auf Kohlenhydrate zu verzichten und dadurch nachts Fett zu verbrennen basiert darauf, dass der Verzehr von Kohlenhydraten (vor allem Weißmehl und –produkte) den Blutzuckerspiegel steigen lässt. Folglich wird das körpereigene Hormon Insulin freigesetzt, welches dafür sorgt, dass die Glukose (der Zucker) aus dem Blut zu den Körperzellen transportiert wird. Insulin führt auch zum Einbau von Fett in unsere Depots und verhindert den Abbau der Fettreserven.
Führen wir unserem Körper eine gewisse Zeit lang keine neuen Makronährstoffe zu – was üblicherweise nachts der Fall ist – so greift der Organismus nach einer Weile auf eben diese Reserven zurück, um sich Energie zu holen.
Nachts fasten wir also regelmäßig und mit dem Frühstück (auf Englisch heißt es ja auch „breakfast“) brechen wir dieses Fasten normalerweise. Diese natürliche tägliche Fastenperiode hilft uns also theoretisch – und wenn sie lange genug dauert (später mehr zu 16:8*) – dabei, schlank zu bleiben bzw. unser Gewicht zu halten.
Kohlenhydrate nun also nur am Morgen?
Über die Regelmäßigkeit der Nahrungszufuhr – die meisten Menschen nehmen täglich drei Mahlzeiten zu sich, eben Frühstück, Mittag- und Abendessen – geben wir dem Körper und unserer inneren Uhr einen Rhythmus vor. So benötigen wir in etwa bis zu vier Stunden um eine Mahlzeit zu verdauen und in diesem Abstand regt sich – wenn/weil wir es so gewöhnt sind – auch unser Appetit.
Chronobiologen, die sich unserem natürlichen Rhythmus im Sinne der „inneren Uhr“ widmen, sprechen vom Konzept der „Eulen“ – den Abend- bzw. Nachtmenschen und von den „Lerchen“ – den Morgenmenschen. Während die Eulen nun abends noch fit und aktiv sind und ihr Abendessen auch getrost später zu sich nehmen können, da sie länger wach sind, treibt die Lerchen schon frühmorgens der Hunger aus dem Bett. Entscheidend ist der Zeitpunkt der letzten Mahlzeit in Relation zum zu Bett gehen.
Das WANN wäre nun also geklärt – der Körper mag seinen natürlichen Rhythmus und den Takt steuern wir durch Nahrungszufuhr und auch Licht.
Doch wie ist das mit dem WAS? Macht es nun einen Unterschied, wann ich Kohlenhydrate, wie zum Beispiel Brot, zu mir nehme? Diesbezüglich scheiden sich die Geister.
Eiweißbrot am Abend, traditionelles Brot zum Frühstück
De facto, vertreten Wissenschaftler zur Mahlzeitenfrequenz und Aufnahme von Kohlenhydraten zu einer bestimmten Uhrzeit zwei Theorien:
Halten wir uns an das Sprichwort und frühstücken im Sinne der gültigen Ernährungsempfehlungen, nämlich in Ruhe und mit ausreichend komplexen Kohlenhydraten (sprich Vollkorn/-brot), versorgen wir unseren Körper in der Zeit, in welcher wir den Zucker der Kohlenhydrate am besten verstoffwechseln können. In der Früh haben wir nämlich einen höheren Insulinspiegel. Befolgen wir diese Ernährungsregel, sind wir am Vormittag deutlich leistungs- und konzentrationsfähiger. Ja, liebe Erwachsene, dies betrifft nicht nur eure Schulkinder – ein gesundes Frühstück lädt auch unsere Akkus (Energiespeicher) wieder auf. Abends benötigen wir dann kein opulentes Mahl mehr und wenn wir drei bis vier Stunden vor dem Schlafengehen eine leichtere Mahlzeit zu uns nehmen, haben wir zum Einschlafen einen höheren Melatoninspiegel, der uns einen tieferen und erholsameren Schlaf ermöglicht.
Und für die Figurbewussten unter uns – Hypothese Nummer zwei: Im Endeffekt ist die Gesamtenergiezufuhr die wir über den Tag verteilt aufnehmen ausschlaggebend, und nicht die Uhrzeit. Die Wissenschaftler diskutieren noch inwieweit auch die Zusammensetzung und das Verhältnis der Makronährstoffe bei den jeweiligen Mahlzeiten einen Einfluss hat.
Die Strategie kohlenhydratreiches Brot am Abend durch Eiweißbrot zu ersetzen, führt häufig zu einem Trugschluss, wenn es ums Abnehmen geht. Warum? Eiweißbrot hat oft mehr Kalorien, wir nehmen also über den Tag gesprochen damit vielleicht sogar eine höhere Energiemenge zu uns. Und nur, weil wir abends keine Kohlenhydrate mehr essen, bedeutet das auch leider nicht, dass wir am nächsten Tag dafür mehr essen „dürfen“. Zudem, fällt der Belag am Brot kalorisch meist mehr ins Gewicht.
Fazit: Macht Brot am Abend dick?
Auf den Punkt gebracht: Nach mehreren Stunden des Fastens (16 Stunden*, Individualitäten vorbehalten) recyceln sich die Zellen, ein Prozess, den wir Naturwissenschaftler Autophagie nennen. Einfach ausgedrückt regenerieren sie sich und „räumen auf“. Dabei werden auch Fettreserven in Angriff genommen.
Geht es nun also darum, Gewicht zu halten oder zu reduzieren, so ist laut Experten nicht das Brot am Abend schuld, wenn dieser Plan misslingt, sondern entweder der Zeitpunkt des Verzehrs (zu knapp vor dem Schlafen gehen) oder die Zeitspanne vor der nächsten Mahlzeit (Intervallfasten siehe Infobox* aber bitte nur bei bester Gesundheit).
Ergo, ausschlaggebend ist in erster Linie die Zusammensetzung der Mahlzeiten (Stichwort: ausgewogene Ernährung) und die Gesamtenergiezufuhr, die über den ganzen Tag verteilt gegessen wird. So der Stand der Wissenschaft, den auch schon meine Oma kannte – denn bei ihr gab’s um 17 Uhr die letzte Mahlzeit des Tages. Aber sie ging ja auch gerne früh zu Bett.
Was ist 16:8 - Intervallfasten?*
Dahinter steckt ein beliebtes Diätkonzept, bei dem 8 Stunden lang normal und ausgewogen gegessen werden darf, um anschließend 16 Stunden lang nichts außer Wasser, Kaffee und Tee zu konsumieren (acht davon werden im Idealfall „verschlafen“). Das Konzept besagt, dass der Körper zwölf Stunden benötigt, um die Kalorien der letzten Mahlzeit aufzubrauchen, und dann in den letzten vier Stunden des Intervallfastens auf die Fettreserven zurückgreift. Es handelt sich dabei also um eine Methode zum effektiven Kalorienreduzieren und den Körper fit und jung zu halten. Auch die Muster 18:6 (in Stunden), oder 5:2 (in Tagen) sind weit verbreitet.
Hinweis: Die Fachgesellschaft (D-A-CH) empfiehlt bei über 65-jährigen einen höheren Eiweißbedarf (1g/kg Körpergewicht/Tag) zur Erhaltung der Muskelmasse. Darum wird auch Intervallfasten im Seniorenalter eher kritisch gesehen, weil der Bedarf mit mehreren Mahlzeiten besser gedeckt wird.
GASTBEITRAG
Dr. Martina Überall
Doktorat der medizinischen Gesundheitswissenschaften
Dozentin an der Pädagogischen Hochschule Tirol,
Fachbereich Ernährung und Gesundheit.